Der neue Bond, Skyfall, soll nach dem Aussetzer von Quantum of Solace nun alles besser machen. Wieder einmal überbieten sich die großen Medien in weiten Teilen mit Superlativen. Der beste Bond aller Zeiten soll er sein, der 23. Anlauf des Franchise.
Der kritische Kinogänger weiß diese Äußerungen in den Bereich des Marketing zu verbannen. Schließlich sind die großen Medien darauf bedacht, die großformatigen Anzeigen von Sony, Warner und Co. einzustreichen. Als Fan der Serie ist man dennoch geneigt, dem lockenden Sirenenruf der Medien nachzugeben und sich auf das Abenteuer einzulassen. Denn eine Sache steht unwiderruflich fest: Der neue Bond muss punkten und darf sich nicht in eine Reihe mit dem Vorläufer Quantum of Solace stellen.
Zu groß war die Enttäuschung in weiten Teilen des Publikums, hatte man doch nach dem fulminanten Casino Royale stillschweigende Versprechungen geweckt. Nach den technisch übertriebenen Darstellungen der Brosnan-Years waren die Produzenten keinem Risiko aus dem Weg gegangen, um dem verstaubten Doppelnullagenten eine Frischzellenkur zu verpassen und riskierten mit einem blonden Bond und einer weiblichen M die Sympathien des Publikums vollends zu verspielen. Doch wegen eines gelungenen Skriptes und einem Daniel Craig, der die alten Bonds nicht schmerzhaft vermissen ließ, wurde die Neuauflage zu einem vollen Erfolg an den Kinokassen.
Inhalt
Im dritten Part der Neuauflage sollen James Bond und seine Kollegin Eve den französischen Söldner Patrice stellen, der eine streng geheime Liste gestohlen hat, welche die wahre Identität sämtlicher NATO-Agenten offenlegt, die in terroristischen Organisationen als V-Männer dienen. Ein sicheres Todesurteil für die Agenten, sollte die Liste in die falschen Hände geraten. Nun ist es an Bond und Eve, Patrice ausfindig zu machen. Als ein Bombenanschlag auf das Headquarter des MI6 verübt wird, droht die Lage zu eskalieren. Eine heiße Spur führt Bond und Eve nach Shanghai. Dort wird ihnen bewusst, dass hinter Patrice ein Drahtzieher steht, der noch weitaus gefährlicher ist und einen persönlichen Rachefeldzug gegen M führt. Bond und M müssen nun enger zusammenstehen als jemals zuvor, um das Unheil abzuwenden.
Skyfall hat Probleme in der Narration
Und eben darin liegt ein Hauptproblem von Skyfall. Der Film bricht auf der narrativen Ebene mit seinen neueren Vorgängern und den beiden Kernelementen, da er das Geheimnis um Vesper und das Verschwinden von Mr. White nicht mehr aufgreift. Dabei dürfte man nach Quantum of Solace darauf hoffen, dass in Bond 23 endlich die nebulöse Gemeinschaft um White ausfindig gemacht wird, die in Casino Royale Le Chiffre wegen der entstandenen Schulden aus dem Spiel nahm und somit Bond das Leben rettete. Kein Wort darüber, nicht einmal ein kleiner Fingerzeig wird in diese Richtung gegeben.
Und somit vollzieht die dritte Auflage mit Craig einen Kontinuitätsbruch, der innerhalb der Serie gefühlt zu früh kommt, da werkimmanente Fragen unbeantwortet bleiben. Was war der letztendliche Schlüssel für Bond, um den Verlust Vespers zu verarbeiten? Welche Rolle hatte Dominic Green wirklich in der Gemeinschaft um Mr. White? Quantum of Solace degradiert sich in Anbetracht dieser Feststellung einmal mehr als sinnloses Stück Zelluloid. Die dort aufgebauten Sinneseinheiten werden durch Skyfall verschwiegen, gänzlich ausgespart. Es bleibt zu hoffen, dass Bond 24 diese Einheiten noch irgendwie zusammensetzen kann, um den bisherigen drei Teilen einen narrativen roten Faden zu verpassen.
Positiv muss dagegen hervorgehoben werden, dass Skyfall den Betrachter weit mehr in die Vergangenheit Bonds entführt als alle seine Vorläufer. Und somit erfahren wir, wieso M in der Neuauflage nicht nur weisungsbefugte MI6-Chefin ist, sondern auch Mutterersatz. Und somit ist Skyfall kein Film, der sich in den Reigen der bisherigen Bonds einreiht, indem er seinen Helden glorifiziert, ihn künstlich überhöht.
Mehr noch als in Casino Royale und Quantum of Solacenimmt Bond körperlichen und seelischen Schaden. Der Protagonist hat somit nicht nur Silva zum Feind, sondern auch die eigene Vergänglichkeit sowie die Einsicht, dass der eigene Körper physikalischen und physischen Grenzen unterworfen ist. In den Fokus stellt Skyfall die Angst, mit steigendem Alter den Gesetzen der Natur weniger trotzen zu können. In diesem Punkt sind sich Bond und M einig: Sie wollen beweisen, dass sie noch gebraucht werden.
Eben in Anbetracht dieser Debatte haben die Produzenten gut daran getan, Silva – ebenso wie Le Chiffre und Dominic Green in den Vorgängern – keine unnatürlichen Fahigkeiten zu verleihen. Silva ist ein normaler Mensch, ein Cyberterrorist, der nicht vom Wunsch nach der Weltherrschaft getrieben wird, sondern lediglich von Rachegedanken und auch er ist den Gesetzen des körperlichen Verfalls unterworfen. Um Silva zu stoppen, muss Bond weit in seine Vergangenheit zurückblicken und sich seinen inneren Dämonen stellen, um M zu schützen.
Bond ein Muttersöhnchen?
Dieses narrative Moment ist es allerdings, welches Bond zu weichspült und oft närrisch erscheinen lässt. Denn die enge Verbindung zu M lässt ihn häufig wie einen Norman Bates im Gewand eines Agenten aussehen. Vaterlandsliebe und Gehorsam einer alten Frau gegenüber reichen nicht aus, um als Triebfeder für lebensgefährliche Einsätze zu dienen.
Auch der Auflösungsversuch am Schluss hat den Charme eines Twists, der mit der Brechstange herbeigeführt wurde, da man sich vorher andere Lösungswege verbaut hat. Emotional schwört Bond den Frauen in Skyfall diesmal gänzlich ab. Zwar wird auch diesmal wieder die ein oder andere Frau sanft in die Horizontale gebettet, ihr Abtreten von Bond aber ohne größere Mimik quittiert. Kenner des Franchise können sich diesen Habitus zwar noch mit der Narbe an Bonds Psyche erklären, die den Namen Vesper trägt. Für eher sporadische Bondjünger bleibt dieser Handlungsstrang aber verschlossen.
In diesem Zusammenhang muss man sich aber auch die Frage gefallen lassen, ob die tiefenpsychologische Aufarbeitung des Bond’schen Machos den Mythos nicht eher entzaubert, statt ihn zu nähren. Denn wenn jedes Geheimnis entschlüsselt ist, verliert der Zauber seine Faszination. Dies ist aber eine Frage, auf die ein jeder selbst eine Antwort finden muss. Geschmackssache eben.
Allerdings müssen sich die Produzenten der Serie so langsam entscheiden, in welche Richtung Sie ihren Bond definiert haben möchten. Mit Daniel Craig wurde der Doppelnullagent zu einem kompromisslosen Agenten, der aus Liebe zum Vaterland Kopf und Kragen riskiert. Bond konnte plötzlich bluten, musste Niederlagen einstecken und Depressionen verarbeiten. In Skyfall wird die harte Schale des Agenten derart zerbrochen, dass man sich ab der Mitte des Films oft schwer tut, den Agenten ernst zu nehmen. Längst ist es nicht mehr nur die Liebe zum Vaterland, sondern auch der pure Gehorsam gegenüber M. Andreas Borcholte von SPON übertreibt also nicht, wenn er Bond an dieser Stelle einen Mutterkomplex zuspricht.
Trailer
Anleihen bei Nolan und Demme
Eine große Schwachstelle von Skyfall ist die nicht von der Hand zu weisende Intertextualität zu anderen filmischen Werken der letzten beiden Dekaden. Javier Bardem füllt seine Rolle gewohnt routiniert aus, erinnert im Gewand des Silva mit seinem Habitus aber massiv an Nolans Joker. Auch die Szene, wenn Silva, in einem großen Glaskasten sitzend, von M verhört wird, erinnert stark an Jonathan Demmes Inszenierung, die den Psychiater Hannibal Lecter in einem Käfig abbildet.
Auf die Spitze treibt Regisseur Sam Mendes es aber, wenn Bond und die schöne Sévérine (Bérénice Marlohe) zum ersten Mal Bad Boy Silva in einer entlegenen Stadt begegnen, die an den Opener von Nolans Inception erinnern.
Mit Sicherheit sind die zuvor genannten Schwachpunkte des Filmes an dieser Stelle sehr kleinkariert betrachtet worden, was aber daran liegt, dass ich ein absoluter Fan der Serie bin und mir mehr versprochen hätte. Natürlich gibt es auch die positiven Seiten: Die Titelsequenz von Bond 23 ist die mit Abstand beste der Serie, untermalt mit Adeles Theme-Song Skyfall ein absoluter Gänsehautfaktor. Die Eröffnungsszene in Istanbul gehört ebenfalls zu den besseren der Serie und Daniel Craig macht eine tolle Figur als Doppelnullagent. Für sich allein gestellt ist Skyfall ein guter Agentenfilm.
Im Sujet der 007-Reihe situiert sich der Film aber allemal im oberen Mittelfeld, da er den inhaltlichen Anschluss an Casino Royale und Quantum of Solace verweigert bzw. für weitere Teile offenhält.
Fazit
Für den 24. Part ist nun Christopher Nolan als Regisseur und Drehbuchautor im Gespräch. Wieso auch nicht? Immerhin hat man sich reichlich an seinem filmischen Oevre bedient. Dabei kann man nicht sagen, dass Sam Mendes einen schlechten Job gemacht hätte. Bond 23 ist laut, schnell, optisch beeindruckend und dem Genre eines Action-Films mehr als würdig. Aber es krankt an der Narration, an schlüssiger Charakterentwicklung. Da Nolan die Scripte zu seinen Filmen oft maßgeblich beeinflusst und nicht nur hinter der Kamera aktiv ist, darf man auf einen noch schärfer konturierten Bond hoffen. Aber das ist Zukunftsmusik.
Trotz aller genannten Einschränkungen ist der neue Bond ein überdurchschnittlicher Action-Film, der dem Publikum gefallen wird, wenn man kleinere Schönheitsfehler ignorieren kann. Eingefleischte Bond-Fans werden den Film aufgrund seiner wieder anders aufbereiteten Erzählweise lieben oder hassen. Was hingegen sehr schön gelöst wurde, ist die letzte Szene, die die Schmach von Quantum of Solace vorerst in Vergessenheit geraten lässt. Nun wird es an Bond 24 sein, die Serie derart abzurunden, dass der Kreis zu Vesper und Mr. White hin geschlossen wird.
Wer Casino Royale und Quantum of Solace nur mäßig fand, wird auch mit dem neuen Bond nicht richtig warm werden. Für alle anderen Filmliebhaber ist der Film aber durchaus einen Gang ins Kino wert.
Comments 1
Die weibliche M gab es doch schon in den Brosnan-Years und nicht erst, seit Bond blond ist?!